Ich bin ein durch und durch positiver Mensch. Ich gehöre zu den Glücklichen, die mit einem sonnigen Gemüt geboren wurden. Dazu kommt eine gewisse Naivität und wenn ich mal wieder irgendwo fest stecke (zuletzt auf einer matschigen Wiese mit dem VW Bus), weiß ich, “das wird schon”. Und so ist es bislang auch immer wieder schon geworden. Ich weiß, was für ein privilegiertes (eigentlich mag ich das Wort nicht, ich finde, es hat einen arroganten Unterton) Leben ich führe. Auch jetzt, in dieser Pandemie. Oder gerade jetzt.
Viele sind zur Zeit abwechselnd erschöpft, traurig, überfordert. Viele trauen sich das aber nicht zu sagen, während sie aus dem Fenster in den Garten blicken. Denn, hey, sie haben einen Garten. Der Garten steht metaphorisch für all die Privilegien, die einen Großteil meine Leser*innen vermutlich haben (gefüllter Kühlschrank, Zugang zu sehr guter medizinischer Versorgung etc.). Zu wissen, dass es einem eigentlich saugut gehen sollte im Vergleich zu fast allen Menschen auf der Welt und sich dennoch schlecht zu fühlen, ist ein Scheiß-Gefühl. Persönlich glaube ich, dass diese Zerrissenheit das Scheiß-Gefühl noch schlimmer macht, weil man sich nicht traut, es zuzulassen oder gar auszusprechen. Und da schlummert es unausgelebt vor sich und sabotiert uns durch die Hintertür.
Ich plädiere für Folgendes: Lasst uns unsere Gefühle anerkennen, die guten und die schlechten. Es ist ok, sich miserabel zu fühlen, auch wenn es einem eigentlich gut gehen und man dankbar sein sollte. Der entscheidende Teil: lassen wir uns nicht dazu verleiten, aus diesem Gefühl heraus zu lamentieren und Schuldige zu suchen (wer möchte gerade mit Jens Spahn tauschen?). Sondern lasst uns das Gefühl sozusagen begrüßen und ganz bewusst zu spüren.
Augenöffnend war eine Situation mit meinem Sohn vor einiger Zeit. Es war Montagmorgen und er wollte sich weder anziehen, noch in die Schule fahren. Er wälzte sich auf dem Boden, heulte vor sich hin und gab besorgniserregende Geräusche von sich. Welche Mutter, welcher Vater kennt es nicht. Ich war versucht, ihn zurecht zu weisen, ihn daran zu erinnern, dass er bereits sieben Jahre alt sei, dass er froh sein sollte, dass er überhaupt in die Schule gehen könne, usw. Kurz bevor ich mit der Litanei loslegte, biss ich mich mir auf die Lippen, setzte mich in seine Nähe und schwieg. Dann merkte ich, dass ich mich eigentlich auch gerne auf dem Boden wälzen, heulen und komische Geräusche von mir geben würde. Ich fing an, meinen Sohn darum zu beneiden. Ein paar Minuten vergingen. Schon bald putzte er sich die Nase, zog sich an und setzte sich aufs Radl… bei ihm war es vorbei. Er hatte seinen Schmerz einmal ordentlich umarmt und konnte ihn kurz darauf wieder loslassen.
Ich übe mich seit dem immer wieder darin, meine komplette Gefühlspalette anzuerkennen. Wenn ich mir wirklich Zeit dafür nehme, stoße ich oftmals dabei auf ein Bedürfnis, dasgerade ganz besonders oder eben nicht erfüllt ist. Das zu erkennen, macht mich wieder handlungsfähig. Ich kann mir überlegen, welche Möglichkeiten ich habe, um dieses Bedürfnis zu erfüllen. Zuletzt war es schlicht und ergreifend das Bedürfnis nach Schlaf und ich gehe jetzt eine Stunde früher ins Bett. So weit kommt es nicht immer, manchmal reicht es auch, dem Empfinden einen bewussten Raum zu geben. Allerdings funktioniert es nicht, wenn ich das Gefühl nur begrüße, damit es dann möglichst schnell wieder weg ist. Ich muss es schon ernst nehmen, sonst fühlt es sich hinter’s Licht geführt, setzt sich irgendwo fest und bleibt. Immer in der Hoffnung, ernsthaft und mit allem drum und dran endlich mal richtig gefühlt zu werden.
Gute Ideen für Neues Unternehmertum
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